Prequel zu „Time of the Doctor“ / Teilnehmer am Kurzgeschichten Wettbewerb “Der Doctor trifft einen alten Freund”
Doctor Who – Nichts ist ewig
von André McFly
Seufzend setzte sich der Doctor auf. Es war einer dieser Tage, einer dieser ganz seltenen Tage, an dem er wusste, dass er etwas, was er schon lange vor sich hin und her schob, einfach erledigen musste. Und er wusste was er erledigen musste. Sein Gefühl sagte ihm, warum auch immer, dass gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen war und er es gar nicht weiter aufschieben dürfte. Obwohl – Erledigen ist wahrscheinlich das völlig falsche Wort dafür. Man erledigt einen Einkauf oder eine Arbeit – Nicht aber Sachen, die wichtig sind, welche man nur deshalb aufschob, weil man Angst vor ihnen hatte. Angst ist ebenfalls ein falscher Ausdruck, auch wenn er wahrscheinlich genau das zum Ausdruck brachte, was tatsächlich im Doctor vorging. Ein flüchtiger Blick noch in den Spiegel, ein zurechtrücken seiner Fliege, ein abklopfen seiner Klamotten und – er konnte einfach keinen weiteren Beschäftigungsgrund finden um das herauszögern zu verlängern. Er öffnete die Türen der blauen Polizei-Notrufzelle und betrat jene Straße, welche er vor so vielen Jahren das letzte Mal betreten hatte. Verändert hatte sich hier nicht viel, obwohl doch schon einige Jahre ins Land gezogen waren. Die Häuser, die Auffahrten, die Gärten – alles sah noch genau so aus, wie in seiner Erinnerung. Er ging auf ein ganz bestimmtes Grundstück zu, öffnete die Pforte und ging in Richtung des Hauses. Doch noch bevor er die Tür erreichte, hielt der Doctor inne.
Hätte er vielleicht Blumen mitbringen sollen? Er schaute auf die umliegenden Blumen und Pflanzen und überlegte kurz, ob er nicht eine Blume pflücken sollte. Aber dann wiederum, würde sie bestimmt erkennen, wenn er einfach eine Blume aus ihren Garten rupfen würde, statt sich vorher die Mühe gemacht zu haben, eher daran zu denken. Er – der Mann mit der Zeitmaschine. Nein, er beließ es dabei, atmete tief durch und drückte seinen Finger auf die Klingel. Selbst konnte er nicht hören ob es geklingelt hat, also drückte er noch einmal drauf. Wieder hörte er nichts. Doch noch bevor er ein drittes Mal klingeln konnte, öffnete sich die Tür. Ein junger Mann – etwa Ende dreißig, groß gewachsen, schwarze Haare und die eine oder andere Lachfalte im Gesicht – öffnete die Tür und wollte gerade etwas sagen, als er den Doctor sah und erstarrte.
„Hallo.“ Sagte der Doctor knapp und hob die Hand zum Gruß.
„Sie? Hallo…Doctor…“ sagte der junge Mann, verwundert und erfreut zugleich.
„Ich hoffe ich komme nicht ungelegen“ sprach der Doctor in einem höflichen Ton und fügte hinzu „Darf ich reinkommen?“ Der junge Mann nickte und trat beiseite, was dem Doctor das Zeichen gab, einzutreten.
Das Haus hatte sich kaum verändert, seitdem er das letzte Mal hier war.
„Sie hat nach ihnen gefragt.“ Sagte der junge Mann und folgte dem Doctor ins Haus. Der Doctor nickte und setzte sich auf ein Sofa.
„Wie geht es ihr?“ Der junge Mann setzte sich gegenüber vom Doctor auf einen Hocker und schaute traurig die Treppen hoch.
„Ich denke, für einen letzten Abschied, sind sie gerade noch rechtzeitig gekommen.“ Der Doctor nickte wieder und schaute nun ebenfalls die Treppen rauf.
„Wie lange ist es her?“ fragte der Mann ruhig und sah dabei auf den Boden.
„Nun… mehrere Lebenszeiten.“ Antwortete der Doctor knapp. Der Mann verstand stumm.
„Sie liegt oben, zweite Tür links – Sky ist bei ihr.“ Der Mann deutete auf die Treppe.
„Sky? Deine Frau?“ fragte der Doctor. Er sah dass dieser nun lächelte.
„Nein, Sky meine Schwester.“ Wieder nickte der Doctor verstehend. Ihm wurde klar, dass er einiges aus ihrem Leben nicht mitbekommen hatte. Was bringt weiteres hinauszögern? Dachte sich der Doctor und setzte sich wieder auf, obwohl er sich gerade erst hingesetzt hatte. Er blickte noch einmal auf den jungen Mann und ging auf die Treppe zu.
„Ich warte hier.“ Sagte der junge Mann und blieb auf seinem Hocker sitzen. Der Doctor atmete tief ein und betrat die ersten Stufen. Die alten Holztreppen knarzten unter seinem Gewicht. An der Treppenwand waren viele Bilder angebracht. Er konnte mit jedem Schritt, weiter nach oben, zusehen wie die beiden Kinder stetig erwachsener wurden. Schließlich oben angekommen ging er zu jener Tür, welche ihm der junge Mann beschrieben hatte und klopfte behutsam. Eine junge Frau, ein wenig jünger als der Mann unten, öffnete die Tür und schaute den Doctor verwundert an. „Sky, nehme ich an?“ fragte der Doctor und schaute ihr in die Augen. Die Frau nickte.
„Und sie sind?“ fragte sie ruhig aber neugierig.
„Ein Freund aus vergangenen Zeiten.“ Lächelte der Doctor und betrat das Zimmer. Es war hell und freundlich, obwohl die Fenster etwas abgedunkelt waren. Sky schloss hinter sich die Tür und blieb an dieser stehen, während sich der Doctor dem großen Bett näherte, welches mittig im Raum stand.
„Hallo Sarah-Jane.“ Er griff die Hand der alten Dame, welche langsam die Augen öffnete und sofort erkannt hatte, wer da vor ihr stand.
„Oh, schau dich an“ sagte sie, mit sanfter aber durchaus fester Stimme „Kommst du mich doch noch ein letztes Mal besuchen?“ Der Doctor legte seine andere Hand behutsam auf ihren Arm und lächelte sie an. „Hast du daran gezweifelt?“ erwiderte er auffordernd.
„Vielleicht gezweifelt, aber nie die Hoffnung aufgegeben.“ Lautete Ihre Antwort. Sie drehte ihren Kopf zu Sky und gab ihr ein Zeichen, dass diese sie allein lassen könnte.
„Jetzt stehst du vor mir, so viele Jahre später, immer noch mit demselben Gesicht und trotzdem nicht um einen Tag gealtert.“ Flüsterte sie, nun wieder zum Doctor gewandt. Der Doctor drehte einen Stuhl um und saß sich neben das Bett.
„Immer noch das selbe Gesicht“ fing er an und fuhr sich mit der Hand über das Kinn „Aber glaube mir, der jüngste bin ich auch nicht mehr.“ Sie lachte und setzte sich auf. Der Doctor schüttelte ihr das Kissen aus.
Sarah-Jane sah ihn tief in die Augen und ergriff seine Hand.
„Warum bist du hier? Du scheust dich doch vor Abschieden.“ Sagte sie und schaute ihm weiter in die Augen.
„Ich glaube“ begann der Doctor „Ich glaube, manchmal ist das, was wir am meisten fürchten, genau das, was wir am dringlichsten brauchen.“
„Doctor, hast du Angst vor dem Tod?“ fragte sie nun mit ruhiger Stimme und der Doctor schien sichtlich verwundert über diese Frage. Er, der Zeitwanderer, der gerade erst sein eigenes Grab besucht hatte und trotzdem noch so lebendig wie eh und je war, er machte sich eigentlich nie Gedanken über seinen Tod. Meist kreisen seine Gedanken um seinen Ruhestand, aber den Gedanken des Todes, wies er doch immer von sich.
„Nein“ sagte er nach einiger Überlegungszeit „Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod. Vor dem sterben vielleicht, aber nicht vor dem Tod.“ Sarah-Jane lächelte und hinter ihrem grauen Haar und dem gealterten Gesicht, erkannte der Doctor nach wie vor jene junge Reporterin, welche mit ihm von Stern zu Galaxie gereist war und mit der er Daleks, Cybermen und sogar Mumien bekämpft hatte.
„Ich würde nur gerne wissen, was auf mich zukommt“ flüsterte Sarah-Jane und blickte den Doctor an, als hoffe sie, eben diese Antwort von ihm zu erhalten. Der Doctor wühlte in seiner Tasche und holte einen Stein heraus.
Sie schaute ihn fragend an und er betrachtete kurz den Stein in seiner Hand.
„Es waren einmal vier Burschen.“ Begann er, während er weiter den Stein betrachtete.
„Die lebten in einem Dort, wo es keinen Mond gab.“ Sarah-Jane wusste nicht, worauf der Doctor hinaus möchte, schwieg aber und ließ ihn weiter erzählen.
„Also stahlen sie den Mond eines anderen Dorfes und lebten ein langes Leben. Als sich ihre Leben dem Ende neigten, beschlossen sie, dass jeder von ihnen, ein Viertel des Mondes mit in sein Grab nehmen würde. So geschah es auch. Doch das Licht des Mondes weckte die Unterwelt auf und verursachte so einige Probleme. Bis schließlich Petrus beschloss, den Mond wieder zusammen zu fügen und diesen Wieder am Himmel anbrachte.“ Er lächelte, blickte aber immer noch auf den Stein. Sarah-Jane schien verwirrt. Sie verstand nicht so ganz, was der Doctor ihr damit sagen wollte.
„Doctor, das ist eine schöne Geschichte, aber –.“ Bevor sie zu Ende sprechen konnte legte ihr der Doctor den Stein in die Hand.
„Nun, es ist kein Viertel vom Mond, aber vielleicht schenkt er dir trotzdem Licht auf deinem Weg.“ Lächelte er und Sarah-Jane betrachtete den Mondstein in ihrer Hand. Es war nur ein Stein, aber zusammen mit der Geschichte, bedeutete er ihr mehr, als sie in Worte fassen konnte.
„Danke.“ Sagte sie leise und eine Träne lief ihr die Wange runter. Der Doctor nahm das Danke wortlos an, stand auf und küsste die alte Dame auf die Stirn.
„Meine Sarah-Jane, ich wünsche Dir alles Gute auf deiner Reise.“ Er merkte wie auch seine Augen feucht wurden.
„Eine Träne, Doctor?“ fragte Sarah-Jane und schaute ihrem alten Freund abermals tief in seine Augen. Der Doctor grinste, legte seine Hand auf die Ihre, in der sie noch immer den Mondstein hielt und schloss diese. Wortlos blickte er nochmal auf seine alte Begleiterin und wusste, dass sie verstand, dass er nun gehen würde. Er drehte sich um und ging zur Tür. Kurz hielt er noch einmal inne und drehte sich um. Sarah-Jane lag dort in ihrem Bett und schien glücklich.
„Sarah-Jane.“ sprach der Doctor, was sie noch einmal aufblicken ließ.
„Auf meinen vielen Reisen, in meinen vielen Leben, habe ich eine Sache gelernt. Eine wirklich wichtige Sache, wenn nicht sogar das wichtigste, was ich je herausgefunden habe. Sarah-Jane, nichts ist ewig, außer alles.“ Sie lächelte ihn an und der verließ das Zimmer. Langsam stieg er die Treppen hinab, verabschiedete sich von Luke und Sky und ging wieder in seine TARDIS. Bedacht hing er seinen Mantel über den Ständer und betrat die Konsolen Ebene. Seine Hände zitterten.
„Nun, dann wollen wir mal.“ Sprach er zu sich selbst und drehte einen Monitor in seine Richtung „Wird Zeit das wir mal überprüfen, was du bist.“ Er tippte mit dem Finger auf den Monitor, welchen ihm schon seit Tagen ein Signal anzeigte, welches scheinbar quer durch Zeit und Raum gesendet wurde und, so war sich der Doctor sicher, nahezu jede Spezies im Universum anlocken würde. Er wischte sich die Tränen weg und betätigte die Konsole, welche sofort piepte und zu vibrieren begann. Mit ihrem typischen Geräusch verließ die TARDIS die Bannerman Road und begab sich nun auf die Suche nach dem Ursprung dieser Frequenz, dieses Signals. Während die TARDIS verschwand dachte der Doctor noch einmal an seine Sarah-Jane.
Nichts ist Ewig, außer alles.
ENDE